75 Jahre Frieden

Heute, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, existieren in Köln noch vereinzelt Bauwerke, die uns einen Blick in diese schreckliche Zeit des Krieges und des NS-Terrorregimes erlauben. Der Abstand zum Krieg – zeitlich, gedanklich, bauhistorisch – verschleiert zum Teil diesen Blick auf das Geschehene und kann dennoch eine klare, distanzierte Beurteilung dieser für unsere Stadt einschneidenden Zeit ermöglichen.

Die Beschäftigung mit den 23 Kölner Hochbunkern, allesamt Relikte des vom verbrecherischen NS-Regime begonnenen Angriffskriegs, wirft sowohl in der Gesamtschau, als auch beim Blick ins Detail einige Fragen auf hinsichtlich Umgang und historischer Einordnung. Die Bewertung des historischen Zusammenhangs ordnet die Bauwerke in den Kontext des „totalen Kriegs“ ein, welcher von Seiten der deutschen Aggressoren von Beginn an als Vernichtungskrieg konzipiert worden war und sich auch im Luftkrieg gegen die Zivilbevölkerung im Sinne des humanitären Völkerrechts kaum Grenzen setzte. Dies zeigte sich schon früh an Ereignissen wie „Guernica“, „Warschau“, „Rotterdam“, „Coventry“ und anderen, bei denen die deutsche Luftwaffe auch im Rahmen von militärtaktischen Operationen Einrichtungen und Leben der jeweiligen „Feind“- Bevölkerung nicht zu schonen bereit war. Die westalliierte Luftkriegsstrategie, insbesondere der britische Ansatz des „Moral Bombing“, entwickelte sich demzufolge auf dem Boden einer bereits verrohten und nicht mehr allein auf militärische Ziele beschränkte Kriegsführung, so dass die Einbeziehung von Frauen, Kindern und Alten als „Spielmasse“ des Krieges akzeptiert wurde. Das NS-Regime wusste in der Folge die nächtlichen Angriffe auf Großstädte zu seinem propagandistischen Vorteil zu nutzen, indem die Städte zur „Heimatfront“ umgedeutet wurden und die Bewohner innerhalb der „NS-Volksgemeinschaft“ zu einer klassenübergreifenden „Kampfgemeinschaft“ herangebildet werden sollten.

Hierbei kam dem Bunkerbau eine besondere Rolle zu, da der NS-Staat sich als Beschützer und Retter des Volkes darstellen konnte, ebenso wie bei der unbürokratischen Versorgung der Bevölkerung nach Luftangriffen mit Lebensmitteln, Kleidung und Haushaltswaren durch Partei und NS-Volkswohlfahrt. Die beabsichtigte Wirkung der moralischen „Brechung“ der Bevölkerung wurde so durch die NS-Führung verhindert und sogar ins Gegenteil verkehrt. Diese Aspekte dürfen beim Blick mit der Lupe in die Geschichte der Bauwerke und bei der Verwertung von Zeitzeugenberichten nicht vergessen werden.

Die ehemaligen Bunkerinsassen empfanden die grauen Kolosse als Schutz und Geborgenheit vor dem schrecklichen Geschehen der oft stundenlangen Bombenangriffe. Sie fühlten dort aber auch Angst, Bedrängnis und Enge, da die Anlagen oft überfüllt waren und die Sorge um das eigene Heim sowie um Angehörige außerhalb der schützenden Betonwände groß war. Allerdings verdrängte die schutzsuchende Bevölkerung allzu oft den Gedanken an die ausgegrenzten Menschen: ausländische Zwangsarbeiter, Sinti und Roma sowie insbesondere Mitbürger jüdischen Glaubens, die die Bunker nicht betreten durften, sofern sie nicht schon in die Vernichtungslager im Osten deportiert worden waren.

Die bauhistorische Erforschung der Hochbunker ermöglicht uns einen fokussierten Blick auf das alltägliche Leben der Schutzsuchenden, insbesondere durch die Erfassung und die historische Rekonstruktion von Einbauten wie der „Abteile“ mit Hochbetten für Familien, aber auch technischer Details wie Belüftungsanlagen, Heizungen und Wasserversorgung. Allerdings zeigt die Beschäftigung mit allen 23 Hochbunkern auch eine langjährige und höchst unterschiedliche Nutzung der Anlagen. Der eigentliche Schutzzweck ist bei den zumeist 1942/43 fertiggestellten Bauten nach Einmarsch der US-Truppen in das linksrheinische Köln im März 1945 obsolet geworden. Dieser Teil der Bau- und Nutzungsgeschichte endete also bereits nach zwei bis drei Jahren nach Fertigstellung, was sich auch im heutigen Baubefund aller Hochbunker niederschlägt.

Es folgte im unmittelbaren Anschluss an das Kriegsende in den meisten Fällen eine Nutzung als Wohnraum für die „ausgebombte“ Bevölkerung und nach und nach für Flüchtlinge und Vertriebene aus den deutschen Ostgebieten. Aufgrund der lang andauernden Wohnungsnot in der überwiegend zerstörten Domstadt wurden die meisten Notwohnungen in Bunkern erst Mitte bis Ende der 1950er Jahre aufgelöst, da auch die hygienischen Verhältnisse sehr zu wünschen übrigließen. Häufig nutzen nun kleine Betriebe die Anlagen als Gewerbe- oder Lagerräume, die Stadtverwaltung benötigte Raum für Akten oder kulturelle Einrichtungen, wie ein Kino (siehe Hochbunker Rotkehlchenweg 49) richteten sich ein. Auch der Schallschutz durch die massiven Betonwände erwies sich als vorteilhaft für die Einrichtung von Musiker-Proberäumen oder Schießstände. Im Laufe der 1960er bis 1980er Jahre etablierten sich vielerorts Vereine verschiedener Ausrichtung, wie Kultur-, Schützen- oder Kleingartenvereine. Andere Bunker wurden mit bautechnischem Aufwand „entfestigt“, das heißt es wurden Fensteröffnungen eingeschnitten, Zwischenwände entfernt und neue Installationen verbaut. Somit wurden bewohnbare Anlagen erschaffen, die sich kaum vom sonstigen Straßenbild abheben und nur beim Blick auf tief liegende Fensterhöhlen den ursprünglichen Zweck als Schutzbau verraten. Bis auf die oberflächliche Instandsetzung einiger Hochbunker für Zwecke des Zivilschutzes Anfang der 1960er Jahre und der baulichen Anpassung von drei Bunkern in den 1980er Jahren zum Schutz vor Atombomben war die Nutzung überwiegend fernab von militärischen Zusammenhängen.

Bei der historischen Einordnung dieser Bauwerke, die von Eigentümern, Stadtplanern und Nutzern in ihrer Monumentalität oft als Last empfunden wurden und werden, erkennen wir jedoch auch die Bedeutung der langjährigen Nachkriegsnutzung. Einer Zeitspanne von zwei bis drei Jahren für Kriegszwecke steht nunmehr eine friedliche Nutzung über einen Zeitraum von 75 Jahren gegenüber. Dass die Bunker im Ursprung einer totalitären und unmenschlichen Epoche deutscher Geschichte entstammen, soll demnach ebenso thematisiert werden wie die langandauernde Friedenszeit, welche spätestens seit Ende des Kalten Krieges Anfang der 1990er schon eine Generation andauert. Der diesjährige digitale „Tag des offenen Denkmals“ bietet daher eine besondere Gelegenheit, alle in Köln verbliebenen Hochbunker zu zeigen, was im „analogen“ Rahmen so sicher nicht möglich wäre.

 

Essay: Andreas Altena
Version: 1.0 (Aug. 2020)

Quellen

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